Mit dem Stress Pilot Home lässt sich “abheben” und dem Stress einfach “davonfliegen”. Aber nicht nur das ist möglich, das Biofeedback-Gerät kann auch den Stress messen. Mit verschiedenen Tests wird die aktuelle Belastungssituation bestimmt, gleichzeitig können die Trainingsfortschritte verfolgt werden. Der Stress Pilot hilft seinen Anwendern, bald ihr eigener Pilot beim Stressabbau zu sein.
Ursprünglich wurde der Stress Pilot im Jahr 2006 von der Firma BioSign in Zusammenarbeit mit der Firma Biocomfort Diagnostics entwickelt. Nach der Schließung des schwäbischen Unternehmens war die Zukunft des Stress Pilots lange Zeit ungewiss, bis sich Ende 2015 das Gerücht einer Neuauflage verbreitete. Im Frühling 2016 war es dann soweit: Die Firma BITsoft brachte eine überarbeitete Version des Stress Pilots auf den Markt.
Viele Menschen kennen das Produkt Stress Pilot als klassisches Biofeedback-Gerät für den PC, aber auch von Stress-Messungen im Rahmen von Gesundheitstagen oder -messen. Eine interessante Entwicklung, die wahrscheinlich so nicht vorgesehen war. Entwickelt wurde der Stress Pilot für Endverbraucher. Neben dem Biofeedback-Training sollten sie auch die Möglichkeit haben, ihre Stressregulationsfähigkeit zu messen. Dieser Test machte den Stress Pilot zu einem beliebten Messgerät in vielen Betrieben, aber auch in Fitness- und Reha-Zentren. Oft ist er deshalb auch eine Art Erstkontakt mit der Herzratenvariabilität (HRV).
Den Stress messen mit dem RSA-Test
Gemessen wird die Stressregulationsfähigkeit mit dem sogenannten RSA-Test. (Die entsprechenden Zusammenhänge rund um den RSA-Test werden im Hilfe-Menü mehr als ausreichend beschrieben.) Dieser standardisierte Atem-Test wird genutzt, um die maximale Leistungsfähigkeit des vegetativen Nervensystems zu ermitteln. Während der einminütigen Messung wird nach Anleitung ca. sechsmal sehr langsam ein- und wieder ausgeatmet. Je nachdem wie sich die Herzfrequenz durch die langsame Atmung verändert, können Rückschlüsse auf die Reaktionsfähigkeit gezogen werden.
Beim Stress Pilot wird der Puls über einen Ohrclip mit Infrarot-Abtastung erfasst. Aus diesem Pulswellensignal ermittelt die Software die einzelnen RR-Intervalle sowie die Herzfrequenz. Wegen der hohen Abtastrate von 500 Hz hebt sich der Stress Pilot zwar von vielen Billigprodukten ab. Wegen der Verwendung der Pulswelle ist die Genauigkeit der Messergebnisse jedoch nicht mit EKG-gestützten Geräten vergleichbar. Für die Verwendung als Biofeedback-Gerät werden die Genauigkeitsansprüche erfüllt, für medizinische Anwendungen eher nicht.
Die Messmöglichkeit ist bestimmt ein Grund, warum der Stress Pilot so beliebt ist. Innerhalb von einer Minute lässt sich ein Eindruck gewinnen, wie es um die Erholungsfähigkeit steht. Nachdem die Benutzerdaten (Name, Alter, Geschlecht, Gewicht und Größe) eingegeben wurden, kann losgelegt werden. Vor jeder Aktion wird das Allgemeinbefinden (Stress, Emotionen, Schlaf und Gesundheit) mit Skalen von ein bis zehn abgefragt.
Die Bedienung der Tests ist einfach gehalten. Ein blauer Atembalken hilft, im richtigen Rhythmus zu atmen. Sobald die Messung gestartet wurde, erscheint eine Herzratenkurve parallel zur Zeitschiene. Außerhalb der Aufzeichnung wird noch eine zweite Kurve mit dem Pulssignal angezeigt. Sobald der Test abgeschlossen ist, können im Anschluss die Ergebnisse mit einem Tastenklick abgefragt werden.
Mit Fragebögen erkennen, was stresst
Das Menü der Fragebögen ist neu hinzugekommen. Es unterstützt dabei, das persönliche Stressempfinden einzuschätzen und festzuhalten. Dieser neue Bereich des neuen Stress Piloten soll dabei helfen, sich mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen. Nur mit Erkenntnissen über den eigenen Stresstyp lassen sich entsprechende Strategien entwickeln, um der Stressfalle zu entkommen.
Die vier Fragenbögen (mit bis zu 44 Fragen) liefern Erkenntnisse über den Stresstyp und die Stressoren, es werden aber auch Warnsignale ausgewertet und Hinweise auf die Widerstandsfähigkeit gegeben.
Ein Teil der Fragebögen stammt von dem Anti-Stress-Coach Professor Dr. Gert Kaluza vom Institut für Gesundheitspsychologie. Andere basieren auf den Publikationen von Leppert et al. (2008), wie z. B. auf der Resilienzskala 13, sowie auf einer Mischung von weiteren Veröffentlichungen.
Die Fragebögen sollten nicht als einmalige Aktion beantwortet werden. Es lohnt sich, die Fragen immer wieder für sich zu beantworten. Die jeweils gewonnen Einzelergebnisse geben nicht nur Aufschluss über die Veränderungen, sondern fließen zusätzlich jedes Mal auch in die Gesamtbewertung mit ein.
Mit der Kombination der HRV-Werte aus der RSA-Messung und den Erkenntnissen aus den Fragebögen wird die Gesamtbetrachtung unterstützt. Sie bilden eine Ergänzung zu (oft als absolut richtig verstandenen) Messwerten.
Buchführen über den Stress und daraus lernen
Im Menü Gesundheitstagebuch kann für jeden Tag eine persönliche Bewertung abgegeben werden. Über eine Skala kann z. B. das Stressempfinden oder die Gefühlslage bewertet werden. Glückliche Momente können mit ein paar Worten notiert werden, aber auch für den Speiseplan gibt es ein Plätzchen.
Das Führen des Gesundheitstagebuchs dient allein dazu, das Leben in all seinen Facetten bewusster wahrzunehmen. Die Aufzeichnungen sollen dabei helfen, rückblickend Zusammenhänge und Wechselwirkungen besser zu erkennen. Die Angaben fließen in keine Auswertung ein.
Mit Biofeedback-Training bewusst entspannen
Der RSA-Test und die Beantwortung der Fragebögen empfehlen sich, bevor man zum ersten Mal mit dem Biofeedback-Training startet. Über den Menüpunkt Einstellungen und Stressregulation lässt sich die Trainingsumgebung nach eigenen Wünschen gestalten. Zur Auswahl stehen verschiedene Landschaftsbilder, über die man verschiedene Schmetterlinge, einen Adler, ein Flugzeug, einen Ballon oder einen kleinen Supermann fliegen lassen kann. Für den vorgeschlagenen Taucher finde ich persönlich nicht das passende Hintergrundmotiv. Wenn gewünscht, lässt sich natürlich auch eine Hintergrundmusik aussuchen – Vogelgezwitscher, Wasserkluckern, Sphärenklänge bzw. typische Meditationsmusik mit oder ohne leichte Beats.
Natürlich lassen sich über das Einstellungsmenü auch die Trainingsdauer, die Frequenz beim Ein- und Ausatmen sowie die Pause nach dem Ausatmen bestimmen. Möglich ist auch, die Atemhilfe ein- beziehungsweise auszuschalten und den Trainingslevel individuell statt automatisch anzupassen.
Wie beim RSA-Test wird auch vor dem Biofeedback-Training immer erst das Allgemeinbefinden kurz abgefragt. Direkt im Anschluss gibt es nur mit einem Tastenklick gleich die Ergebnisse der durchgeführten Biofeedback-Sitzung.
Meine Erfolge: Wissen, wo man steht
Nach einem RSA-Test, der Beantwortung eines Fragebogens oder nach einem Biofeedback-Training erhält man immer im Anschluss eine direkte Auswertung über sein Tun. Gesammelt finden sich alle Daten im Menü meine Erfolge. Hier kann man sich das Einzelergebnis für den letzten Test oder das letzte Training anschauen, erhält aber auch Übersichten, die alle Aktivitäten zueinander ins Verhältnis setzen und einen Überblick zum Verlauf geben.
In einem runden Diagramm werden alle gewonnenen Erkenntnisse aus Tests und Trainingseinheiten zusammengefasst. Es ist kein starres Diagramm, sondern ein bewegliches, was sich verändert. Nach jedem Gebrauch spiegelt es die aktuelle Stress-Situation in seiner Darstellung wider. Auf einem Blick lässt sich so erkennen, wie der momentane Zustand ist.
Der Diagramm erinnert nicht nur in seiner Aufmachung an ein Netz- oder Polardiagramm, sondern auch bei der Farbwahl. Das Diagramm im Stress Pilot wird auch über einen Farbverlauf von rot über orange, gelb bis grün gespannt. Je kleiner die Werte der einzelnen Faktoren ausfallen, umso mehr werden sie im roten Bereich angezeigt, der für Anspannung steht. Reichen die Werte bis in die grünen Bereiche, wird von einer eher entspannten Lage ausgegangen.
Folgende Einzelergebnisse fasst das Diagramm zum Stress aus dem RSA-Test, der Einschätzung zum Allgemeinbefinden, den Fragebögen und dem Biofeedback-Training zusammen: Gesundheitsgefühl, Schlafqualität, Fitnesslevel (durchschnittliche Herzfrequenz), Wirkung der Stressbremse (RSA-Quotient bzw. E/I-Quotient), Dosierung der Stressbremse (RMSSD-Wert), aktuelles Stressempfinden, Stressregulationsindex, Stresstyp, Stressverursacher, Warnsignale und Widerstandsfähigkeit.
Das letzte Einzelergebnis von RSA-Test und Biofeedback-Training befindet sich auch im Menü meine Erfolge. Die während des RSA-Tests aufgezeichnete Herzfrequenz kann man sich wieder anschauen. Für das aktuelles Stressempfinden, das Gesundheitsgefühl, die Wirkung und Dosierung der Stressbremse sowie für die Fitness gibt es eine Farb-Bewertung nach dem Ampelprinzip. Jeweils in kleinen Untermenüs befinden sich Erklärungen zu den Ergebnissen, eine Einschätzung und Empfehlungen. Ähnlich ist der Aufbau für das letzte Training. Die aufgezeichnete Herzfrequenz wird mit der Flugkurve von beispielsweis den Schmetterlingen oder Adler zusammen mit dem Trainingslevel darstellt. Interessant ist der Stressregulationsindex, der sich im Untermenü Stressregulationstraining befindet. Er drückt aus, wie die gut das Biofeedback-Training absolviert wurde.
Sehr aufschlussreich ist die Trend-Rubrik im Menü meine Erfolge. Sie bietet vor allem regelmäßigen Anwendern eine langfristige Erfolgskontrolle. Mit dem Untermenü lässt sich die Entwicklung unter verschiedenen Aspekten chronologisch verfolgen. Für die Wirkung und Dosierung der Stressbremse sowie für die mittlere Herzfrequenz werden die Ergebnisse aufgeführt, einer Bewertung unterzogen und ins Verhältnis mit Referenzgruppen gesetzt. Jedes Stressregulationstraining ist mit Vorgabewert, Rhythmisierungsgrad Zielerreichungsgrad und Stressregulationsindex aufgelistet.
Mein Fazit zum neuen Stresspiloten
Es ist schön, dass es den Stress Piloten wieder gibt. Leider habe ich das alte Modell nie im Detail kennengelernt. Während unserer Buchrecherche sind wir oft im Netz auf ihn gestoßen, auch in Gesprächen tauchte der Name immer wieder auf. Eine Erklärung zum Verbleib konnte uns damals keiner so richtig geben, was auch der Grund ist, warum er nicht in unserer Referenzliste im Buch auftaucht.
Die Inbetriebnahme des Stress Piloten war sehr einfach. Die Software wird über einen USB-Speicher-Stick installiert. Wer mit Windows vertraut ist, wird wahrscheinlich keine Probleme haben. Die Menüführung auf der Startseite ist übersichtlich und großflächig gestaltet. An mancher Stelle würde ich mir etwas dickere Umrandungsleisten oder farbige Flächen zur besseren Orientierung wünschen.
Auch wenn ich mich jetzt bei der großen Fan-Gemeinde des Stress-Piloten nicht beliebt mache, stelle ich trotzdem fest: Die neuen Fragebögen finde ich für die Stress-Bewertung wichtiger als den RSA-Test. Beim Atemtest besteht für mich die Gefahr, dass Laien ihn für wichtiger erachten als das Training zur Selbstregulation. Es wäre eine falsche Zielsetzung, wenn es nur darum ginge, die RSA-Test-Ergebnisse entsprechend zu beeinflussen. Das baut unnötigen Druck auf und hat auch nichts mit Stressmanagement zu tun. Vielleicht erfahren Stress-Pilot-Nutzer entsprechende Unterstützung, wenn bald das Menü Kommunikation in Betrieb genommen wird, denn damit soll Therapeuten die Begleitung erleichtert werden. Ich fände es besser, wenn der Stress Pilot in erster Linie als Trainingsgerät zur Stressbewältigung anwendet wird und nicht als Mess- oder Diagnosegerät, denn für diesen Zweck gibt es gezielter entwickelte Produkte.
P.S.: Das Produkt Stress Pilot Home wurde mir dankenswerterweise von BITsoft für meine Recherche zur Verfügung gestellt.