Je tiefer und bewusster ein- und ausgeatmet wird, umso mehr wird das Herz aus seinem gewöhnlichen Takt gebracht. Bei sechs Atemzügen pro Minute zeigt sich am deutlichsten die Einflussnahme der Atmung auf dem Herzschlag. Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, willentlich das vegetative Nervensystem zu beeinflussen.
In der Medizin werden die atemabhängigen Schwankungen der Herzfrequenz als respiratorischen Sinusarrhythmie (RSA) bezeichnet. “Respiratio” steht für die Atmung, “Sinus” für den Sinuskonten und “Arrhythmie” für die Unregelmäßigkeit.
Für medizinische Laien ist überhaupt nicht offensichtlich, wie die Atmung den Herzschlag beeinflussen kann. Atmung wird gedanklich mit der Lunge verknüpft und der Herzschlag mit dem Herz. Erst wenn man in Fachliteratur[i] auf eine Verbindung zwischen den beiden Organen stößt, wird ein Zusammenhang vorstellbar. Diese Verbindung befindet sich “in den Regionen des niederen Hirnstamms”. Sie steuert nicht nur die Atemfrequenz, sondern wirkt auch über den Parasympathikus auf die Herzschlaggeschwindigkeit ein.
Man könnte nun meinen, dass beim Phänomen der RSA der Sympathikus die Herzfrequenz schnell nach oben treibt, im Anschluss der Parasympathikus seinen hemmenden Einfluss ausübt und beide gleichermaßen an dem Vorgang beteiligt sind – indem beide “am gleichen Strang ziehen”. Dies ist so nicht der Fall. Sympathikus und Parasympathikus “ziehen an unterschiedlichen Strängen”, und das auch noch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Die raschen Veränderungen des Herzschlags werden in erster Linie über die Nervenbahnen des Parasympathikus bewirkt.
Der Parasympathikus kann schneller reagieren
Sympathikus und Parasympathikus haben beide Nervenverbindungen zum Herz. Die Veränderung der Herzschlaggeschwindigkeit durch den Atemrhythmus beruht auf dem Einfluss des Parasympathikus. Er ist in der Lage die Regulationsvorgänge viel schneller vorzunehmen als der Sympathikus.
Die Beschaffenheit der Nervenverbindungen ist ein Grund für das unterschiedliche Reaktionsvermögen. Die Myelinisierung der Vagus-Fasern des Parasympathikus bietet eine zehnmal schnellere Weiterleitung von Steuerungssignalen als dies bei den unmyelinisierten Sympathikusfasern der Fall ist. Ein weiter Grund sind die verschiedenen Überträgersubstanzen.
Der Parasympathikus arbeitet ausschließlich mit dem Neurotransmitter Acetylcholin. Beim Sympathikus erfolgt die Übertragung auf das Herz letztendlich durch den Botenstoff Noradrenalin. Die Eigenart dieser Reizübertragung ist jedoch, dass kein schneller Abbau des Noradrenalins am Empfängerrezeptor stattfindet, sondern eine etwas langwierigere Rückführung zum Sender-Nerv erforderlich ist. Dies kostet im Vergleich zum Acetylcholin mehr Energie und Zeit, denn Acetylcholin wird am Empfängerrezeptor für eine weitere Reizübertragung schnell abgebaut. Am Zielorgan Herz verwenden die beiden Neurotransmitter zudem unterschiedliche Rezeptorarten im Sinusknoten.
Beides, die unterschiedliche Nervenbeschaffenheit und die verschiedenen Neurotransmitter, hat zur Folge, dass die chemischen Abläufe bei der Steuerung des Herzschlags unterschiedlich schnell ablaufen.
Verschiedene Überträgersubstanzen machen den Unterschied
Die parasympathischen Nervenbahnen leiten den Aktivierungsimpuls rasch und ohne Verzögerung weiter. Die Reaktion am Sinusknoten erfolgt bereits nach einer halben Sekunde. Fast genauso schnell, innerhalb einer Sekunde, kann die Reizausübung auf den Sinusknoten auch wieder abklingen. Beim Sympathikus laufen die Aktivierungsprozesse hingegen sehr viel langsamer ab. Die Aktivierung benötigt etwa vier bis fünf Sekunden, um den Sinusknoten zu beeinflussen. Noch schleppender verläuft das Abklingen der Reizausübung. 15 bis 20 Sekunden vergehen, bis das Ausgangsniveau wieder erreicht ist.
Der Parasympathikus ist in der Lage, die schnellen Anpassungsvorgänge, die mit dem Atemrhythmus einhergehen, zu ermöglichen. Diese Veränderungen der Herzschlaggeschwindigkeit spiegeln sich im HRV-Wert High Frequency (HF) wider. Sie bewirkt Schwingungen im Frequenzbereich von 0,15 bis zu 0,5 Hertz. Zeigt eine Spektralanalyse in diesem Frequenzbereich Aktivität an, kann sie auf dem Parasympathikus zugeordnet werden.
Ganz anders sieht es beim Sympathikus aus. Er reagiert auch bei fehlenden äußeren Reizen (im Ruhezustand) auf die Schwankungen des Blutdrucks mit der Anpassung der Herzfrequenz. Sein Wirken ist dann indirekt eine Folge der Signale von Dehnungs- und Druckrezeptoren in Herz, Lunge und Gefäßen. Sie melden an das vegetative Nervensystem, wenn es zu Änderungen des Blutdrucks oder Blutvolumens kommt. Die Regulierung dieser Steuerkreise zeigt sich mit in den niederfrequenten Rhythmen. Der HRV-Wert der Low Frequency (LF) gibt dies als Veränderungen der Herzrate im Frequenzbereich von 0,04 bis 0,15 Hertz wider.
Eine Aktivität im LF-Bereich unterliegt nicht eindeutig der Wirkung des Sympathikus. Im diesem Bereich regen die Dehnungs- und Druckrezeptoren auch die Verstärkung beziehungsweise Hemmung des Parasympathikus an. Daher wird im LF-Bereich eine Überlagerung der Aktivitäten von Sympathikus und Parasympathikus angezeigt.
[i] Fachliteratur: http://www.herzschlagvariabilitaet.de/ueber-das-buch.html sowie http://www.aerzteverlagshaus.at/verlagsprogramm/einzelansicht/products/herzratenvariabilitaet/backPID/verlagshaus.html