Ich laufe gerne und regelmäßig. Große sportliche Ziele verfolge ich mit meiner Lauferei nicht. Eine gute Ausdauerleistung ist mir aber trotzdem wichtig. Ich möchte einerseits nicht zu viel und anderes nicht zu wenig tun. Immer wieder frage ich mich, was ist die optimale Belastung für mein Training. Mit der Forerunner 630 habe ich in den letzten Wochen einige Antworten auf meine Fragen erhalten.
Eines möchte ich vorweg schicken: Die Uhr ist ein kleiner Computer mit Touchscreen am Handgelenk und verfügt viele Funktionen, die vor allem für ambitionierte Läufer interessant sind. Sie bietet viele Informationen zur Laufeffizienz, wie z. B. die Bodenkontaktzeit, die durchschnittliche Schrittlänge oder die vertikale Bewegung, sowie zur Leistungsfähigkeit, wie z. B. die Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max), dem Erholungszeit-Ratgeber und die Laktatschwelle. Aus persönlichem Interesse möchte ich jedoch nur die beiden Funktionen beschreiben, die die HRV einbeziehen: Belastungswert und Leistungszustand.
Für die Ermittlung des Belastungswertes und des Leistungszustandes braucht man einen Brustgurt, der mit der Forerunner 630 gekoppelt ist. Eine Messung am Handgelenk reicht momentan noch nicht für die Erfassung der HRV aus. Auch ist es hilfreich zu wissen, dass die Algorithmen untereinander von sich “lernen”. Je länger man die Uhr in Betrieb hat, umso genauer kann die Software die einzelnen Berechnungen vornehmen.
Belastungswert spiegelt die Gesamtbelastung wider
In der englischsprachigen Betriebsanleitung wird der Begriff Stress Score verwendet. Was eigentlich ganz anschaulich beschreibt, um was es beim Belastungswert eigentlich geht. Nämlich um das, was wir allgemein als Stress bezeichnen. In einem dreiminütigen Test wird unter Zuhilfenahme der HRV die Gesamtbelastung ermittelt. Auf einer Skala von 1 bis 100 erfährt man, wie sich Training, Schlaf, Ernährung und Alltagsstress auf die Leistung auswirken. 0-34 steht für eine geringe, 35-69 für eine mittlere, 70-89 für eine hohe und 90-100 für sehr hohe Belastung. Wer eine eins als Wert hat, darf es beim Training richtig krachen lassen. Mit einer 90 sollte man es allerdings lieber ruhiger angehen und vielleicht eher nur etwas für die Entspannung tun.
Joe Heikes, Garmins Product-Manager, empfiehlt im YouTube-Video Forerunner 630: Determining your Stress Score, den Test täglich zu machen: nach Möglichkeit immer zur selben Zeit, unter den gleichen Rahmenbedingungen und im Stehen. Dies sind eigentlich die üblichen Randbedingungen für HRV-Messungen, bis auf die Empfehlung, im Stehen zu messen. Garmin setzt die Auswertetechnik des Anbieters Firstbeat ein. In deren Unterlagen wird (leider nur kurz) dargestellt, dass das Herz-Kreislaufsystem im Stehen anders gefordert wird als im Liegen. Die durch das Stehen provozierten Reize, wie beispielsweise die Steuerung des Blutdrucks, sollen auch in der Bestimmung des aktuellen Belastungswertes berücksichtigt werden.
Ich habe über mehrere Wochen jeden Morgen meinen Belastungswert gemessen und notiert. Interessant sind die Werte, wenn man sie mit seinen sportlichen Aktivitäten, den Wochentagen, dem Stressempfinden und der Schlafqualität in Verbindung setzt. Im Laufe der Zeit konnte ich auch beobachten, wie sich die Werte langsam eingependelten.
Aus der Betriebsanleitung erfährt man leider nichts darüber, welche Parameter in die Berechnung des Belastungswertes einfließen. Für die Berechnung wird, wie schon erwähnt, Firstbeat-Technologie genutzt. Aus den White Papers and Publications der finnischen Firma erhält man zwar viele Informationen, aber nicht im Detail, was davon in der Garmin-Uhr steckt. Vielleicht ist es der RMSSD-Wert, der hier genutzt wird.
Sicher spielt die VO2max eine Rolle bei der Erfassung. Der Zusammenhang zwischen VO2max und der HRV ist mittlerweile erforscht. Der Gradmesser für Leistungsfähigkeit hat längerfristig auch einen Einfluss auf den Belastungswert.
Leistungszustand zeigt in Echtzeit die Fitness an
Interessant zu beobachten ist, wie sich im weiteren Verlauf des Trainings die Werte des Leistungszustandes verändern. Sie sind ein guter Gradmesser, ob Belastung und Dauer in einem guten Verhältnis zu stehen. Eine intensive Einheit fordert den Körper mehr als eine moderate und sollte deshalb viel kürzer ausfallen. Viel hilft bekanntlich nicht immer viel und manchmal bringt weniger mehr. Die Anzeige des Leistungszustandes ist eine gute Unterstützung für die Einschätzung der Kraftreserven. Sie hilft, eine Unter- oder Überforderung zu vermeiden. Damit hat man automatisch eine zweite Meinung – vor allem wichtig, wenn man dazu neigt, die eigene Leistungsfähigkeit zu überschätzen.
Die letzten Wochen habe ich mein Training immer nach den Angaben des Leistungswertes ausgerichtet. Ich bin mal schneller und mal langsamer gelaufen, aber immer beim gleichen Minus-Wert umgekehrt. Je nachdem war ich mal kürzer und mal länger unterwegs. Ich hatte dabei immer ein gutes Gefühl und kein schlechtes Gewissen, wenn mich die Uhr mal früher nach Hause schickte. In den acht Wochen mit der Uhr hat sich meine VO2max leicht verbessert.
In die Berechnungen des Leistungszustandes fließen neben der Herzratenvariabilität noch die individuelle Pace (Zeit pro gelaufenen Kilometer) und Herzfrequenz ein. Sie werden ins Verhältnis zum persönlichen Fitness-Level gesetzt. Was bedeutet, dass es für die Messung erst einige Trainingseinheiten braucht, um genaue VO2max-Werte als Grundlage zu haben. Leider kann ich auch beim Leistungszustand keine Angaben zu den berücksichtigten HRV-Werten machen.
Vom “Garmin Joe” gibt es übrigens auch ein YouTube-Video zum Leistungszustand: Forerunner 630: Analyzing your Performance Condition.
Die Bedienung der Forerunner 360 ist einfach. Die meisten Werte lassen sich direkt über die Uhr abfragen. Letztendlich kann die Uhr auch als Activity-Tracker verwendet werden.
Was ich sehr schade finde, ist, dass der Belastungswert und der Leistungszustand nicht abgespeichert werden. Weder in der Uhr noch in Garmin-Connect. Die Aufzeichnung und Darstellung der Entwicklung dieser beiden Werte wäre sehr aufschlussreich, um den eignen Körper besser kennenzulernen.
P.S.: Die Forerunner 360 wurde mir dankenswerterweise von Garmin für meine Recherche zur Verfügung gestellt.