Bei der RSA-Messung ist Mitarbeit gefragt. Geführt von einer Computergraphik wird im Sitzen sechsmal pro Minute langsam ein- und wieder ausgeatmet. Diese Atemführung ist für viele Menschen erst einmal gewöhnungsbedürftig. Meine Beobachtungen bei diesem Test reichen von “peinlich berührt”, so schnaufen zu müssen, bis “gestresst”, nicht mithalten zu können. Eigentlich hilft da nur eines: Etwas Ruhe einkehren lassen und erst wenn sich die Aufregung gelegt hat, mit der Messung beginnen. Alternativ bieten manche Messsysteme eine vom Standard abweichende Atemführung an.
Sechsmal pro Minute atmen hat einen Sinn
Für die RSA-Messung gibt es, wie auch bei der HRV-Kurzzeitmessung, eine wissenschaftliche Grundlage, die man zur Vergleichbarkeit von HRV-Werten einhalten sollte. Für Atemfrequenz und Messdauer liegen wissenschaftliche Untersuchungen vor, die als Vorgabe dienen. Demnach lösen sechs Atemzüge pro Minute bei den meisten Menschen die höchste rhythmische Schwankung der Herzfrequenz aus. Mit dem einminütigen Test wird die individuell beste Herzratenvariabilität (HRV) ausgelöst. Was nichts anderes bedeutet, als zu schauen, wie gut der Parasympathikus arbeitet.
Durch die Vorgabe des Atemrhythmus wird das Herz aus seinem gewöhnlichen Takt gebracht. Die tiefe Atmung führt bei einem gesunden Menschen dazu, dass sich der Herzschlag beim Einatmen erhöht und beim Ausatmen absenkt. Das Herz muss auf das tiefe Luftholen mit einer Erhöhung der Herzfrequenz reagieren, um einen Abfall des Blutdrucks zu verhindern. Eine Anpassung und Rhythmisierung von Atmung und Herzschlag tritt im Zustand der Entspannung ein. Dieses ganz natürliche anatomische Phänomen wird respiratorische Sinusarrhythmie, kurz RSA, genannt.
Atmen nach Vorgabe leichtgemacht
Der Atemrhythmus spielt eine wichtige Rolle bei der RSA-Messung. Die meisten Messsysteme geben den richtigen Takt mit einer Art Balken vor, der länger oder kürzer wird. Für eine bessere Vergleichbarkeit von verschiedenen Messungen, sollte eine Messung immer an einer definierten Stelle im Atemzyklus beginnen.
Atemzyklus und Herzschlagkurve erzählen viel
Es lohnt sich immer, einen Blick auf den zeitlichen Verlauf der Herzfrequenz zu werfen, nicht nur um die Messqualität zu prüfen und Artefakte (chaotische Sprünge der Herzfrequenz) auszuschließen, sondern auch für eine erste Einschätzung der RSA. Je nach Regulationsfähigkeit des vegetativen Nervensystems (VNS) sind die rhythmischen Schwankungen größer oder kleiner. Eine hohe Schwankungs-Amplitude signalisiert eine gute HRV, ein flacherer Verlauf der Herzfrequenz deutet auf eine geringere HRV hin.
Aus dieser Herzfrequenzkurve werden mit die wichtigsten Werte für die RSA-Messung berechnet: die Expirations-Inspirations-Differenz (E-I) beziehungsweise der Expirations-Inspirations -Quotient (E/I). Sie sind die direkten Maßzahlen der RSA. Ermittelt werden sie aus der jeweils höchsten und niedrigsten Herzfrequenz von jedem Atemteilzyklus.
Gründe für schlechte Werte
Menschen mit einem niedrigen Ruhepuls, wie ihn zum Beispiel Ausdauersportler haben, können bei der RSA-Messung schlechter abschneiden. Der Spielraum für das Herz, noch langsamer zu schlagen, wird durch den AV-Knoten begrenzt. Die Schwankungsamplitude fällt also kleiner beziehungsweise die Werte E-I und E/I sind beeinträchtigt.
Vorübergehend fallen die Ergebnisse schlecht aus, wenn beispielsweise ein grippaler Infekt im Anflug oder in Aktion ist, aber auch große körperliche oder seelische Belastungen (z. B. nach einem Marathonlauf) können für eine Verschlechterung sorgen. Als Ursache kommen auch Störfaktoren wie Alkohol, Koffein, und Nikotin in Frage. Für eine gesicherte Aussage ist eine weitere Messung empfehlenswert. Oft liegen ein paar Tage später bereits wieder bessere Werte vor.
Anhaltende schlechte Werte können beispielsweise bei Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Übergewicht, chronische Überbelastung, seelische Erkrankungen (z. B. Depressionen), bestimmten Medikamenten sowie bei Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes) auftreten.
RSA- und Kurzzeitmessung lohnen sich
Die Kombination von RSA- und Kurzzeitmessung ist meist sehr aufschlussreich. Während die Kurzzeitmessung wegen der fehlenden Atemstimulation eher den Normalzustand widerspiegelt, zeigt die RSA-Messung die Möglichkeiten auf, über die der Körper verfügt. Fällt die Kurzzeitmessung schlecht und die RSA-Messung gut aus, bestehen noch Reserven: Das VNS ist noch in der Lage, zu regulieren.
Ein struktureller Schaden liegt bereits vor, wenn beide Messungen schlecht ausfallen. Die Leistungs- und Entspannungsfähigkeit des Körpers kommt immer mehr zum Erliegen. Das Risiko für eine chronische Erkrankung steigt mit dem Nachlassen der vegetativen Aktivität.
Bleibt die Stress-Belastung gleich und wird die verringerte Entspannungsfähigkeit nicht entdeckt, führt dies in einen Teufelskreis. Eine HRV-Kurzzeitmessung zeigt den Belastungszustand (z. B. als Stress-Index). Mit dem RSA-Test können die Chancen einer Therapie aufgezeigt werden. In den Fällen, bei denen die Leistungsfähigkeit des Parasympathikus bereits eingeschränkt ist, muss dringend die Stressbelastung verringert werden.
Anhang
Grundlagen für gute Messergebnisse
In meinem Beitrag über die Kurzzeitmessung bin ich bereits auf verschiedene Messsysteme und den Umgang mit Störfaktoren eingegangen. Im Prinzip gelten für die RSA-Messung die gleichen Regeln und Umstände. Die Qualität einer RSA-Messung hängt auch von ein paar Feinheiten ab. Ohne meine regelmäßigen Leser langweilen zu wollen, wiederhole ich diesen Part im Folgenden für neue Leser, da ich es für wichtig halte, die Messqualität einschätzen zu können und ein spezieller Blog-Beitrag hierzu noch fehlt.
Schon die Messsysteme machen einen Unterschied aus
Von den einzelnen Messsystemen ist abhängig, wie die Messung vorgenommen wird, also welches “Werkzeug” und welcher Sensor für die Puls-Erfassung zum Einsatz kommen. Die System-Palette fängt bei verschiedenen EKG-Ausführungen an, geht über unterschiedliche Brustgurt-Modelle und endet bei Ohr-Clips oder auch Smartphone-Kameras.
Um zu verstehen, was den Unterschied ausmacht, muss man sich mit der Erfassung des auszuwertenden Signals vertraut machen. Grob betrachtet geht es darum, die Abstände zwischen den einzelnen Herzschlägen zu messen. Der feine Unterschied ist, wie das geschieht. EKG-Geräte erfassen sekundenweise sehr viele Messwerte. Brustgurte hingegen stellen in der Regel nur die einzelnen Werte der Herzfrequenz bereit. Den Unterschied macht die sogenannte Abtastrate aus. Je höher sie ist, umso genauer fällt das Ergebnis aus. Wird alle ein bis zwei Millisekunden gemessen, kann sozusagen nichts verloren gehen oder übersehen werden. Die R-Zacken werden punktgenau erfasst. Aber auch “Ausreißer” fließen in die Aufzeichnung mit ein.
EKG-Geräte und einige wenige Brustgurte bieten eine hohe Abtastrate. Der Verlauf des Herzschlags kann völlig transparent aufgezeichnet werden. Die meisten Brustgurte messen die Herzrate jedoch in größeren Abständen, was Ungenauigkeiten mit sich bringt. Es ist meist nicht durchschaubar, wie die gemessenen Werte zustande kommen. Falsche Werte aufgrund von Störungen können nicht unterschiedenen werden. Messungen mit Ohrclip oder Smartphone-Kamera nutzen die Lichtdurchlässigkeit der Haut und erfassen die Schwankungen des durchfließenden Blutes, die sogenannte Pulswelle. Die Regulation der Gefäßstrecke mischt sich also hier in die Ergebnisse ein.
Die Qualität hängt vom Umgang mit den Störfaktoren ab
Eine hohe Abtastrate ermöglicht, dass “falsche” Schläge, sogenannte Artefakte erkannt werden. Was bei Langzeitmessungen nicht von allzu großer Bedeutung ist, weil nur kurze Abschnitte betroffen sind, kann bei kurzen Messungen zu verfälschten Ergebnissen führen.
Ein Aspekt, der auch bei den verschiedenen Messsystemen den Unterschied macht, ist der Umgang mit den Störfaktoren. Neben der Erfassung und Erkennung ist auch deren Ausschluss von Bedeutung. Dr. med. Doris Eller-Brendl schreibt in ihrem Buch Herzratenvariabilität: “Als Grundregel gilt: Je kürzer der beobachtete Zeitraum ist, desto wichtiger ist die Artefaktfreiheit dieses Zeitraums, um reale Ergebnisse zu erhalten.”
Systeme mit einer automatischen Bereinigung beseitigen mit einem Tastenklick kurz mal alle Auffälligkeiten. Das kann im Praxisalltag eine große Hilfe sein, es kann einen aber auch um wertvolle Erkenntnisse bringen. Eine manuelle Bearbeitung kostet zwar etwas mehr Zeit, schützt aber vor Fehlinterpretationen. Zudem haben dann Fehler, die von den Autokorrekturen eingebracht werden, keine Chance.
Die Auswertung der Werte kann sich von System zu System unterscheiden. Je nachdem welche Normwerte und Personenangaben in die Berechnung einfließen, kann es zu Abweichungen kommen.
Auf die Robustheit der Berechungsverfahren für die Werte der HRV-Parameter RMSSD, SDNN und HF gehe ich in gesonderten Artikeln ein.