Wer sich mit seinem Körper intensiver beschäftigt, fragt sich bestimmt immer wieder, wie sich wohl zwei Seminar-Tage, eine Chaos-Woche im Büro, ein 5-Gänge-Menü mit Alkohol am Abend oder eine intensive Sporteinheit auswirken. Hat sich der Körper schon erholt oder sollte er besser geschont werden?
Mit der Herzratenvariabilität (HRV) lässt sich eine Bewertung des Stresspegels und der Regenerationsfähigkeit vornehmen. Voraussetzung für dieses Management in eigener Sache ist, dass man die HRV regelmäßig misst und die Messergebnisse auch zu interpretieren vermag. Das richtige Maß zwischen zu viel und zu wenig Belastung kann so gefunden werden. Der Vitalmonitor unterstützt dies, ohne dass man sich mit einzelnen HRV-Werten groß auseinandersetzen muss. Das ist einerseits recht komfortabel. Andererseits hält sich der Hersteller bei Teilen der zugrundliegenden Verfahren bedeckt, wodurch das Zustandekommen der Empfehlungen für Anwender nicht nachvollziehbar ist.
Jeden Morgen erst einmal messen
Im Internet liest man in einem Beitrag, “die morgendliche Messung gehört für mich wie das Zähneputzen zum festen Ritual”. Empfohlen wird, gleich nach dem Aufwachen zu messen. Vermutlich ist das der beste Zeitpunkt am Tag, um möglichst immer gleichbleibende Mess-Bedingungen zu schaffen. Das ist wichtig, denn mit jedem Messvorgang lernt der Vitalmonitor seinen Anwender statistisch besser kennen. Nach etwa 14 Tagen ist diese Kalibrierung abgeschlossen und die persönliche statistische Grundlage erstellt. Eine Messung dauert übrigens auch nicht viel länger als Zähneputzen, nämlich drei Minuten.
Mein morgendliches Ritual sah in den letzten Woche folgendermaßen aus: Aufwachen, den abends bereitgelegten Brustgurt und Tablet-PC schnappen, den Brustgurt einschalten und umschnallen. Kurz überprüfen, ob die Mess-Elektroden leicht nach links versetzt anliegen und schon kann mit zwei Klicks die Messung gestartet werden. Sie ist in zwei Teile aufgeteilt. Erst atmet man 110 Sekunden ruhig und entspannt, dann wird für 70 Sekunden ein Atemrhythmus vorgeben (vergleichbar mit einer Kombination von HRV-Kurzzeitmessung und RSA-Messung). Danach erfolgt innerhalb von Sekunden, sofern man eine Internet-Verbindung hat, die Auswertung der Ergebnisse.
Keine Zahlenkolonnen als Ergebnisse
Einzelne HRV-Werte bekommt man beim Vitalmonitor nicht zu Gesicht. Die Messergebnisse werden gleich interpretiert. Ein Balkendiagramm mit verschiedenen Farbabschnitten gibt Auskunft über Regenerationsfähigkeit (erschöpft bis superkompensiert) und den physischen und psychischen Stress (relaxt bis gestresst). Zwei weitere Darstellungen warten mit Empfehlungen für ein Ausdauer- oder Krafttraining. Hier zeigt die farbige Markierung an, welche Belastung nach Einschätzung des Vitalmonitors der Körper verträgt. Weitere Informationen der morgendlichen Messung sind das biologische Alter, der Ruhepuls und die HRV. Für interessierte Anwender sind die zugrundeliegenden physiologischen Studien leider nicht ohne weiteres zugänglich.
Selber eine Bewertung abgeben, kann man für die Schlafqualität, die Arbeitsbelastung, das Befinden und für das letzte Training. Wer möchte kann auch noch die Schlafdauer und sein Gewicht festhalten. Für das Messergebnis spielen diese Angaben jedoch keine Rolle. Sie dienen nur dazu, selbst Rückschüsse ziehen können, wie sich z. B. die kurze Nacht oder das letzte Training ausgewirkt haben.
Die Werte hinter den Empfehlungen
Verschiedene HRV-Werte werden für die Aussagen zur Regenerationsfähigkeit und Stressempfinden sowie für die Sport-Empfehlungen verwendet. In die Interpretation fließen die letzten 60 Messungen ein. In welchem Verhältnis das geschieht, ob beispielsweise jüngere Messergebnisse mehr Gewicht haben, konnte ich nicht herausbekommen, aber welche HRV-Parameter verwendet werden, wurde mir genannt: SDNN, RMSSD, Verhältnis HF/LF und die Abweichung des aktuellen Ruhepulses vom Durchschnitt. Für die Bewertung des Stresses fließen die Werte aus dem Messabschnitt mit der Atemvorgabe ein. Aus beiden Ergebnissen ergeben sich die Empfehlungen für den Sport.
Immer tagesaktuell, also ohne einer Verrechnung mit früheren Messungen, ist der HRV-Wert. Dargestellt wird laut Herstellerauskunft der SDNN-Parameter. Laut Hersteller unterscheiden sich die Messergebnisse von RMSSD und SDNN bei der Messungsdauer und entsprechender morgendlicher Prozedur (im Sinne einer standardisierten Messsituation gemäß Anwendungsanleitung) nicht voneinander.
Messergebnisse im Überblick
Die einzelnen Messungen können gespeichert werden und später über das Online-Portal im Statistik-Menü als grafische Kurve aufgerufen werden. Hier kann man dann seine Entwicklung über Wochen und Monate beobachten. Jede Messung lässt sich im Detail auch später wieder einsehen.
Mit der Statusmessung die richtige Belastung wählen
Außer den regelmäßigen Messungen können Statusmessungen durchgeführt werden. Vermutlich profitieren vor allem Sportler von der Statusmessung am meisten. Sie wird vor dem Training empfohlen, um die richtige Belastung zu finden. Der Messvorgang ist derselbe wie bei der morgendlichen Messung. Die Trainings-Empfehlungen entsprechen dem momentanen Zustand des Körpers und können von den Morgenergebnissen abweichen.
Es kann also durchaus sein, dass morgens noch ein hartes Training, aber nach Feierabend eher eine leichte Belastung oder vielleicht sogar eine Pause empfohlen wird. Das kann ärgerlich sein, aber wer ehrlich zu sich ist, wird bald merken, dass es sich für eine Leistungssteigerung lohnt, das Training nach den Bedürfnissen des Körpers auszurichten.
Natürlich kann man die Statusmessung auch so nutzen, um einfach mal zu schauen, wie es um die Erholungsfähigkeit steht. Sie hilft dabei, ein besseres Gefühl für den Körper zu bekommen. Ich habe sie beispielsweise vor und nach Entspannungsübungen gemacht. Wer ein bisschen experimentieren möchte, sollte nicht vergessen, einen Kommentar zur Messung zu schreiben. Langfristig lassen sich so ganz interessante Rückschlüsse ziehen oder persönliche Zusammenhänge erkennen.
Die Ergebnisse der Statusmessung tauchen in der Statistik auf, fließen jedoch nicht die personenbezogenen Kalibrierung des Vitalmonitors ein.
Messfehler erkennen und ausschließen
Während der Messung sieht man das EKG-Signal relativ schnell durchlaufen. Wer einen geschulten Blick hat, kann unter Umständen gleich erkennen, wenn etwas schief läuft. Alle Messungen werden, falls nötig, bis zu 15 Prozent automatisch bereinigt. Im Zweifelsfall empfiehlt sich, auf der Website nachzuschauen, ob richtig gemessen wurde. Hier kann man den zeitlichen Verlauf der Pulsrate und das EKG-Signal abrufen. Messfehler wie z. B. ein falsch angelegter Pulsgurt lassen sich so leicht feststellen. Eine weitere Darstellung auf der Website ist ein Poincaré-Diagramm, was hier HRV-Plot genannt wird. Statt der eher üblichen RR-Intervalle wird die Pulsrate für die Grafik verwendet.
Handlungsanweisungen nur von Trainern
Der Vitalmonitor interpretiert die Ergebnisse und gibt Empfehlungen, aber das war es dann auch schon mit den Ratschlägen. Wer mehr wissen will, wie er seine Werte verbessern kann, der sucht auf der Website vergebens nach weiteren Ratschlägen. Das ebenfalls angebotene Biofeedback-Training des Vitalmonitors ist für Einsteiger keine große Hilfe. Diesen Part übernehmen speziell ausgebildete Trainer oder Coaches.
Jeder Anwender kann seinen Account für einen Trainer freischalten. Der kann dann den Verlauf mitverfolgen und zur Entwicklung beitragen. Sportler erhalten Unterstützung bei der Trainingssteuerung. Berufstätige erfahren, was sie gegen Überlastung und Stress als Ausgleich unternehmen können. Menschen, die eine Krankheit überstanden haben, bekommen Ratschläge, wie sie wieder zu mehr Vitalität kommen können.
Kostenlose Fortbildungs-Angebote
Käufer eines Vitalmonitors können an kostenlosen Webinaren teilnehmen, um mehr über die Handhabung zu erfahren. Auch die Ausbildung für angehende Trainer ist kostenlos. Die Schulung setzt sich aus unterschiedlichen Modulen zusammen. Innerhalb von drei bis vier Monaten kann eine Zertifizierung erreicht werden.
Mein Fazit
Profis und Einsteiger können gleichermaßen vom Vitalmonitor profitieren. Die tägliche Messung ermöglicht, den Verlauf einer Behandlung, eines Trainings oder auch nur eine Optimierung der Lebensführung zu beobachten. Die Auswertung zeigt, ob die richtigen Maßnahmen ergriffen wurden oder ob es noch Verbesserungsbedarf gibt.
Die tägliche Messung ist echt einfach und wirklich schnell gemacht. Warum gerade 110 und 70 Sekunden gemessen werden, habe ich übrigens nachgefragt. Anfangs wurde mit 15 Minuten Messdauer begonnen. Aber jeden Morgen eine viertel Stunde zu messen, wurde von den Anwendern nicht gut angenommen. Das Ziel der Pulse 7 GmbH war dann, die Dauer soweit zu reduzieren, dass gerade noch verlässliche Werte ermittelt werden können. Das war wohl bei drei Minuten der Fall.
Während meiner Testphase habe ich mir angewöhnt, jeden Tag auch den HRV-Wert genauer anzuschauen. Manchmal kamen mir die Empfehlungen etwas verzögert vor, denn ich fühlte mich bereits leistungsfähiger als empfohlen, worin ich mich vom HRV-Wert bestätigt fand. Deshalb noch einmal zur Klarstellung: Die letzten 60 Messungen fließen in die Empfehlungen ein, nicht jedoch in den HRV-Wert.
P.S.: Der Vitalmonitor wurde mir dankenswerterweise kostenlos von der Puls 7 GmbH zur Verfügung gestellt.