Raus aus der Stressfalle – aber wie? Mit Akupunktur und Qi Gong könnte es klappen, wie erste Ergebnisse einer noch laufenden Langzeituntersuchung andeuten. Die Wirksamkeit der Behandlung wird auch mit Hilfe der Herzratenvariabilität überprüft.
In der iTCM-Klinik Illertal in Illertissen wird in einer klinisch-wissenschaftlichen Langzeitbeobachtung untersucht, ob sich mit Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) die Auswirkung von chronischem Stress nachhaltig behandeln lässt. Erste Trends zeigen: Mit Akupunktur und Qi Gong kann der Stresslevel nachweisbar gesenkt und die Anzeichen von chronischem Stress verringert werden.
Die Eckdaten einer Langzeitbeobachtung
Die Teilnehmer für die Langzeitbeobachtung wiesen die typischen Symptome einer chronischen Stressbelastung auf, wie z. B. Schlafstörungen, Libido-Verlust, innere Unruhe, Antriebslosigkeit, Kopf- und Rückschmerzen sowie neu aufgetretene Aggressivität oder Vergesslichkeit.
Zu Beginn mussten die Teilnehmer neun Stress-Fragebögen ausfüllen. Außerdem wurden sie gründlich mit internistischer Labordiagnostik und kardiologischer Diagnostik untersucht, um stressbedingte Folgeerscheinungen, wie z. B. Bluthochdruck und andere Stressanzeichen, quantitativ zu erfassen.
Eine 24-Stunden-HRV-Langzeitmessung war Bestandteil zu Beginn und am Ende der Therapiephase. Für die Auswertung war Professor Max Moser der Kooperationspartner. Er ist Professor für Physiologie an der Medizinischen Universität Graz sowie Institutsleiter am Institut für Gesundheitstechnologie und Präventionsforschung, HUMAN RESEARCH Weiz.
Vor und nach der Akupunktur-Behandlung und den Qi Gong-Einheiten wurden HRV-Messungen mit dem System vnsanalyse vorgenommen. Zusätzlich wurden weitere stressrelevante diagnostische Untersuchungen (z. B. Cortisol im Speichel) durchgeführt, um Veränderungen aufgrund der Behandlungen festzustellen.
Folgende Darstellung illustriert den Vorher-Nachher-Therapie-Effekt einer Qi Gong-Einheit:
Die Beobachtung der Teilnehmer erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Monaten. Während des vierwöchigen Aufenthalts in der iTCM-Klinik Illertal erhielten die Teilnehmer täglich Akupunktur, Qi Gong und Kräutermedizin, in den folgenden 12 Wochen nur noch einmal wöchentlich.
Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit
Chefarzt Dr. med. Wolfgang Pflederer führt die klinisch-wissenschaftliche Langzeitbeobachtung an der iTCM-Klinik Illertal durch. “Einige Ergebnisse sind wirklich erstaunlich. Gerade die positive Wirkung von Akupunktur hätte ich so in diesem Umfang nicht erwartet. Schließlich müssten Nadeln für den Körper in gewisser Weise erst einmal eine Art Stress-Situation bedeuten. Aber die Messungen zeigen ganz deutlich: Bereits nach circa eineinhalb Wochen wirken sich die Akupunktur-Anwendungen positiv auf die Herzratenvariabilität aus”, erläutert der Internist und Kardiologe.
Einen ebenso positiven Effekt wie die Akupunktur hat der Studie zufolge auch Qi Gong auf den chronisch gestressten Menschen: Bei rund drei Viertel der Patienten sinkt nach Qi Gong-Übungen der mentale Stress, der mithilfe des Stress-Index gemessen werden kann. Zudem steigt die Erholungsfähigkeit bei mehr als zwei Drittel der Patienten, was sich mit dem Anstieg des RMSSD-Werts zeigt. “Mit unserem therapeutischen Ansatz aus TCM und psychotherapeutischer Betreuung kommen Patienten aus einer chronischen Stress-Situation oder einer möglicherweise angehenden Depression wieder heraus – und das nachhaltig”, erklärt Dr. Pflederer.
Steigerung des RMSSD-Wertes und Verringerung des Stress-Index
Im Jahr 2017 konnte bei 30 Patienten eine Auswertung des Therapieeffekts mit Hilfe von Kurzzeit-HRV-Messungen vorgenommen werden:
Steigerung RMSSD-Wertes | Abnahme Stress-Index | |
Akupunktur | bei 68 % der Patienten | bei 63 % der Patienten |
Qi Gong | bei 57 % der Patienten | bei 54 % der Patienten |
Folgendes Schaubild gibt einen beispielhaften Eindruck von dem Behandlungserfolg. Die Abnahme des Stress-Indexes (SI), die Zunahme des RMSSD-Wertes (und auch des SDNN-Wertes) sind erkennbar:
Einteilung der HRV-Messwerte zur Stress-Bewertung
Es stellt immer wieder eine Herausforderung dar, gute und schlechte HRV-Werte zu unterscheiden. Deswegen ist folgendes Stufensystem erwähnenswert, mit dem in der iTCM-Klinik die RMSSD- und Stress-Index-Werte eingeteilt werden, um das Ausmaß der Imbalance (Störung der Ausgewogenheit) und Stress-Wirkung vergleichbar ausdrücken zu können:
Imbalance-Einstufung | RMSSD-Wert | Stress-Index |
schwergradig | kleiner als 11 | größer als 450 |
mäßiggradig | 17,4 bis 11 | (nicht verwendet) |
geringgradig | 23,9 bis 17,5 | 150 bis 450 |
keine | größer als 92 | kleiner als 150 |
Über die Langzeitbeobachtung
Die klinisch-wissenschaftliche Langzeitbeobachtung “Stress als kardiovaskulärer Risikofaktor – Behandlungsmöglichkeiten mit Traditioneller Chinesischer Medizin” ist auf insgesamt zehn Jahre, bis zum 30.9.2024, angelegt. Jährlich findet eine statistische Auswertung der Daten statt. Die Langzeitbeobachtung ermöglicht einen fundierten Nachweis über den Behandlungserfolg oder ‑misserfolg der durchgeführten TCM-Behandlung. Als Grundlage für die Langzeitbeobachtung dienen alle Patientendaten, die in der iTCM-Klinik Illertal in Form von wissenschaftlichen Fragebogenanalysen, der apparativ-technischen Diagnostik und den Messungen während der Therapie erhoben werden. Alle Daten und Ergebnisse werden anonymisiert in eine wissenschaftlich verwendete Datei eingepflegt.
Die Langzeitbeobachtung wurde unter Begleitung der Medizinischen Klinik 2 der Universitätsklinik Erlangen konzipiert. Konkreter Entwicklungspartner war Privatdozent Dr. med. Christian Stumpf, ehemaliger Geschäftsführender Oberarzt der Medizinischen Klinik 2 der Friedrich-Alexander Universität und jetziger Chefarzt der Kardiologischen Klinik am Klinikum Bayreuth. Professor Dr. med. Stephan Achenbach, Direktor der Medizinischen Klinik 2 der Friedrich-Alexander Universität Erlangen begleitet die wissenschaftliche Langzeitbeobachtung der iTCM-Klinik Illertal.
Die iTCM-Klinik Illertal
Das ganzheitliche Behandlungskonzept der iTCM-Klinik Illertal setzt eine präzise Erstanamnese und Untersuchung mit Sichtung bisheriger Diagnostik und Therapie voraus. Dies erfolgt in Illertissen durch Chefarzt Dr. Wolfgang Pflederer als Ärztlichem Direktor und Dr. med. Naixin Wu als Ärztlichem Leiter der iTCM-Klinik. Mit einem klaren diagnostischen Bild über ihren Gesundheitszustand werden die Patienten anschließend den chinesischen Ärzten vorgestellt, die dann die Therapie nach den Regeln der chinesischen Erfahrungsmedizin vorschlagen. Die Therapien in der iTCM-Klinik Illertal umfassen alle Segmente der Traditionellen Chinesischen Medizin: Akupunktur, Kräutertherapie, Qi Gong, Schröpfen und Tuina-Massage. “Von besonderer Bedeutung für die Therapie ist die Tatsache, dass wir bei Bedarf unseren Psychiater und Psychotherapeuten Hermann Leinfelder in die ganzheitliche Behandlung miteinbinden”, so Dr. Pflederer.
Fazit von Dr. Pflederer
“Erfasst wurden im Jahr 2017 insgesamt 30 Patienten. Die Daten von zehn Patienten wurden ausgewertet. Unsere Ergebnisse sind also noch nicht statisch signifikant, sondern lediglich eine trendorientierte Aussage. Nach der Analyse der ersten Erhebungen können wir bereits jetzt sagen, dass sich körperliche Auffälligkeiten, die auf eine chronische Stressbelastung hindeuten, mithilfe von Traditioneller Chinesischer Medizin behandeln lassen.”
Ich wusste gar nicht, dass die Akupunktur zur traditionellen chinesischen Medizin (TCM) zählt. Die Überprüfung dieser Methodiken durch HRV-Tests finde ich gut, da dies die Zuverlässigkeit der Therapie stützt. Ihren Grafiken zufolge reduziert eine Akupunktur-Behandlung den Stress-Faktor. Vielen Dank für diesen wissenschaftlichen Beitrag dazu!