Wenn ich an den HRV-Parameter High Frequency (HF) denke, dann habe ich sofort das Bild eines Spektrogramms vor Augen:
“Der Farbverlauf, je nach Mess-System, von blau über rot und gelb bis grau gibt einen schnellen Überblick. Vor allem bei Langzeitmessungen schätze ich die Parameter der Frequenzanalyse”, erzählt Bernd Heiler, Heilpraktiker für Psychotherapie, mit Praxis in München.
Der HRV-Parameter HF ist nicht einfach erklärbar
Das Spektrogramm ist einfach zu erfassen. Die Erklärung, wie der HRV-Parameter HF zustande kommt, ist leider kompliziert.
“In meinen Schulungen ist die Verwirrung immer groß, wenn es um die Parameter der Frequenzanalyse geht. Während bei den Zeitbereichsparametern, wie z. B. RMSSD oder SDNN, eine noch eher nachvollziehbare mathematische Formel zugrunde liegt, ist es bei HF komplizierter. Das liegt daran, dass Schwingungsanteile aus dem Verlauf der RR-Intervalle errechnet werden und, zu einem Spektrum zusammengesetzt, beurteilt werden”, erklärt Bernd Heiler.
Man sollte sich vorstellen, dass das Spektrogramm in folgenden Schritten zustande kommt:
- Der Zeitverlauf von RR-Intervallen wird in einzelne, gleichlange Zeitausschnitte unterteilt und von diesen wird dann jeweils ein Frequenzspektrum errechnet.
- Die einzelnen Frequenzspektren werden dann so aneinandergereiht, dass man eine quasi dreidimensionale Darstellung erhält. Mit einer Achse des Spektrogramms wird der Zeitverlauf dargestellt, damit ersichtlich bleibt, auf welchen Zeitabschnitt sich das jeweilige Frequenzspektrum bezieht. Zusammen mit dem geführten Protokoll lassen sich so die Auswirkungen z. B. von sportlichen Aktivitäten und Entspannungseinheiten auf den Körper zuordnen.
- Auf der anderen Achse des Spektrogramms wird die Frequenzhöhe in Hertz (Hz) angegeben
- Einen Hinweis zur Intensität der Schwingungsanteile (Variabilität) gibt die Amplitude. Sie bringt die Farbe in das Spektrogramm. Als Farbcode, also mit Hilfe einer Zuordnung von unterschiedlich intensiven Farben (oder Grautönen), werden die jeweiligen Amplituden (Signalintensität) unterscheidbar gemacht.
Der HF-Wert ist nur ein Ausschnitt aus dem Spektrogramm. Im oben abgebildeten Spektrogramm ist der Ausschnitt gestrichelt eingerahmt. Der HF-Wert wird ermittelt, indem die Amplituden der Frequenzspektren zwischen 0,15 und 0,4 Hz zusammengefasst werden. So erhält man einen Einzelwert, der die Schwingungsleistung, die von der Aktivität des Parasympathikus im RR-Intervallverlauf erzeugt wird, darstellt. Je höher er ist, desto aktiver war der Parasympathikus.
Mit dem HRV-Parameter HF wird nicht die gesamte Aktivität des Parasympathikus erfasst: Unterhalb des Frequenzbereichs von 0,15 bis 0,4 Hz (HF-Bereich) trägt der Parasympathikus auch zur Spektrumsamplitude bei. Weil sich aber im Frequenzbereich von 0,04 bis 0,15 Hz (LF-Bereich) die Aktivitäten des Parasympathikus und des Sympathikus vermischen und das Frequenzbereichsverfahren keine Auftrennung ermöglicht, wird bei der Erfassung des HF-Wertes nur der HF-Bereich berücksichtigt und auf den Anteil im LF-Bereich verfahrensbedingt verzichtet.
High Frequency zeigt die Entspannungsfähigkeit – und eventuell noch einen RSA-Anteil
“Der HF-Bereich ist der Frequenzbereich, der allein vom Parasympathikus beeinflusst wird”, berichtet Bernd Heiler. Deshalb drückt sich im HF-Bereich über die Aktivität des Parasympathikus die Entspannungsfähigkeit für therapeutische Zwecke eindeutig genug aus.
Die Schwingungen im HF-Bereich sind relativ schnell: 0,15 bis 0,4 Hertz (Hz). Das entspricht einer Periodendauer von 2,5 bis 6,7 Sekunden, also von neun bis 24 Schwingungen pro Minute. “Weil im HF-Bereich die Parasympathikus-Aktivität dargestellt wird, kann der HRV-Parameter HF zusätzlich von der Atmung abhängig sein. Denn der große Entspannungsnerv ist immer dann am Werk, wenn eine sogenannte respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) vorliegt, also eine vom Atem abhängige Schwankung der Herzfrequenz. Beim Einatmen schlägt das Herz schneller und beim Ausatmen wieder langsamer. Provozieren lässt sich die RSA mit einem Atemprovokations-Test, auch RSA-Test genannt”, erläutert Bernd Heiler. Laut einer Studie über RSA und Atemfrequenz bildet sich die RSA bei den meisten Menschen am deutlichsten zwischen sechs und acht Atemzügen pro Minute aus. Bei einem regulären RSA-Test (mit Atemführung) würde also bei sechs Atemzyklen pro Minute ein Schwingungsanteil bei 0,1 Hz unterhalb des HF-Bereichs entstehen.
“Bei gut trainierten Klienten wird der Herzschlag beim RSA-Test während des Einatmens beispielsweise innerhalb von mehreren Herzschlägen beschleunigt und beim Ausatmen innerhalb von sehr wenigen Herzschlägen verlangsamt,” erklärt Bernd Heiler. Aufgrund dieser Asymmetrie und Abweichung von sinusförmigen Schwankungen werden vom RSA-Effekt nicht nur Amplitudenanteile bei den üblichen 0,1 Hz (unterhalb des HF-Bereichs) erfasst. Es werden wegen der Schwingungsaufteilung (Frequenzanalyse) auch Amplitudenanteile bei ganzzahlig-vielfachen Frequenzen, also 0,2 und 0,3 Hz, im HF-Bereich erfasst. Diese Anteile sind normalerweise so gering, dass sie den HF-Wert zwar beeinflussen, aber nicht bestimmen und nicht für therapeutische Zwecke unbrauchbar machen.
Bei fehlender Atemführung eines RSA-Tests, also bei der normalen Atemfrequenz gesunder Menschen von 12 bis 21 Atemzügen pro Minute, tritt ein RSA-Effekt im Frequenzbereich zwischen 0,2 und 0,3 Hz auf. “Natürlich spielen bei der RSA neben der Atemfrequenz auch das Atemvolumen eine Rolle”, ergänzt Bernd Heiler.
Wie verändert sich die HF, wenn wir schneller, langsamer oder tiefer atmen?
Wenn die Atemfrequenz erhöht wird, erhöht sich die Frequenz der RSA und die Amplitude der RSA vermindert sich. “Ein extremes, aber leider häufiges Beispiel aus meiner Praxis, sind Angst-Patienten. Sie atmen bei den 5-Minuten-Ruhemessungen (HRV-Kurzzeitmessungen) teilweise so schnell, dass man im Spektrogramm wenig bis gar nichts an Farben sieht”, erzählt Bernd Heiler aus seinem Praxisalltag.
Bei verlangsamter Atmung sinkt die RSA-Frequenz und Amplitude der RSA verstärkt sich. “Wer mitrechnet, bemerkt, dass wir ab einer bestimmten Anzahl von Atemzügen den HF-Bereich verlassen und im Frequenzbereich der Low Frequency (0,04-0,15 Hz) landen. Für mich ein klarer Beweis, dass die Low Frequency vom Sympathikus und Parasympathikus beeinflusst wird. Das heißt aber nicht, dass wir bei gesunden Menschen keinen HF-Anteil im Spektrogramm sehen. Die Leistung im HF-Bereich ist neben der Atmung vom Parasympathikus abhängig”, so Bernd Heiler.
Eine besonders tiefe Atmung hat nur eine geringe Auswirkung auf die Amplitude. “In meiner Praxis ist mir wichtig, dass meine Patienten so normal wie möglich bei den 5-Minuten-Messungen atmen.”
Schlechte HF: Was steckt dahinter
Egal, ob am Tag oder in der Nacht, mit dem Alter verschlechtern sich die HF-Werte. “Leider gehört die HF auch zu den Parametern, die sich als erstes verschlechtern”, ergänzt Experte Heiler. “Auch das Verhältnis von Tag und Nacht verändert sich. Bei gesunden, jungen Menschen ist die HF im Schlaf deutlich höher als während des Tages.”
“Wenn die HF plötzlich wegbricht, dann ist das oft ein Zeichen für eine beginnende Erkrankung, wie z. B. ein akuter Infekt. Versierte Sportler können an der Reduzierung der HF auch sehen, wie intensiv das letzte Training für den Körper war. Ein langfristig verminderter HF-Wert wird bei kardiologischen Erkrankungen gefunden und bei Menschen mit Erschöpfungssymptomen, Angststörungen, Depressionen und Panikattacken”, zählt Herr Heiler auf.
Eine gute HF richtig bewerten
“Der HF-Parameter ist immer dann gut, wenn auch andere Parameter das gute Ergebnis widerspiegeln. Ein dominanter HF-Wert und wenig Amplitude in anderen Frequenzbereichen, sollte jeden Anwender misstrauisch machen. Eine emotionale Übersteuerung, wie sie bei traumatischen Erlebnissen, Erschöpfung und geistiger Ohnmacht auftritt, könnte der Grund sein. Weitere Untersuchungen sind in diesem Fall dringend notwendig”, erläutert Bernd Heiler.
HF – sinnvoll für die Praxis
Auch wenn es viele Fans für die Zeitbereichsparameter gibt, hat die HF einen festen Platz im Praxis-Alltag. “High und Low Frequency finde ich wichtig. Sie bilden noch etwas genauer ab, welche Anteile des vegetativen Nervensystems in welcher Intensität aktiv sind. Gerade für Therapeuten, die viele Langzeitmessungen machen, erlauben sie einen schnellen Überblick,” urteilt Bernd Heiler.